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Lüftung

Mindestlüftung für den Feuchteschutz

Eine gute Lüftung der Wohnräume ist sowohl für eine gute Luftqualität als auch für den bauphysikalischen Schutz der Außenkonstruktion unabdingbar. Bei traditionellen Bauweisen ist ein hinreichender Luftwechsel über die Undichtheiten der Fassade (Fensterfugen, Bauteilfugen) in aller Regel ohne weiteres gegeben. Allerdings übersteigt dieser Luftwechsel bei Windanfall deutlich das erforderliche Maß und verursacht dadurch deutlich überhöhte Lüftungswärmeverluste.
Zur Vermeidung dieser unnötigen Lüftungswärmeverluste wurde mit der Energieeinsparverordnung im Neubau eine weitgehend luftdichte Bauweise etabliert. Allerdings ist nun ein ausreichender Luftwechsel nicht mehr automatisch gegeben. Er muss bei weitgehend luftdichten Gebäuden gezielt herbeigeführt werden. Eine ausführliche Analyse enthält u.a. [23].

Hinzu kommt, dass die Einzelofenheizungen weitestgehend durch Zentralheizungen abgelöst wurden. Die alten Einzelofenheizungen entnehmen die für die Verbrennung notwendige Luft immer dem Aufstellraum und sorgen durch die Unterdruckbildung im Schornstein automatisch für einen bauphysikalisch hinreichenden Luftwechsel. Moderne Heizkessel hingegen sind oft raumluftunabhängig. Das Abgassystem dieser Feuerstätten ist oft als konzentrisches Doppelrohr ausgeführt, wobei im inneren Rohr das Abgas ins Freie strömt und im Ringspalt zwischen innerem und äußerem Rohr die Verbrennungsluft vom Freien zur Feuerstätte geführt wird. Diese Feuerstätten haben einige sicherheits- und feuerungstechnische Vorteile. Zunehmend werden auch moderne Kaminfeuerstätten, in denen Scheitholz verbrannt werden kann, mit einer Luftzuführung direkt vom Freien („Luft-Abgas-Schornstein“) versehen und somit „raumluftunabhängig“ angeboten und ausgeführt. Allerdings entfällt dadurch die bisherige „automatische“ Lüftung der Wohnung über die Feuerstätten!

Damit die Wohnungen aus bauphysikalischer Sicht schadensfrei bleiben, muss ein Ersatz für die bisherige Lüftung durch Fugen und Ritzen sowie die Feuerstätten geschaffen werden. Zumeist wird von den Nutzern ein manuelles und hinreichend häufiges Öffnen der Fenster erwartet. Die Erfahrungen hinsichtlich der Schimmelpilzbildung an den Wänden und die damit verbundenen Streitereien – vorzugsweise zwischen Mietern und Vermietern - zeigen jedoch, dass dies auf Grund von Abwesenheitszeiten nicht gut realisierbar ist und/oder dass viele Wohnungsnutzer damit überfordert sind (vgl. [24]). Daher wird in den aktuellen Fachdiskussionen zunehmend auf automatisch wirkende Lüftungsanlagen verwiesen, wobei aus lufthygienischer Sicht oftmals eine einfache Abluftförderung – vorzugsweise aus dem Bad – ausreichend ist. 

Eine weitergehende Analyse der hygienischen Verhältnisse der Raumluft stützt diese Sichtweise: In unseren Wohnungen entstehen neben Geruchs- und Ekelstoffen erhebliche Wasserdampfmengen. Jeder Erwachsene gibt bei geringer körperlicher Aktivität bei thermischer Behaglichkeit (kein Schwitzen!!) pro Stunde etwa 40 bis 60 g/h Wasser ab (vgl. VDI 2078). Diese Wasserdampfabgabe erfolgt bevorzugt über unsere Atemluft. Bei zu warmem Raumklima tritt noch eine erhebliche Schweißabgabe hinzu, die hier jedoch nicht betrachtet werden soll. Für Wohnungen relevant sind außerdem die Wasserdampfabgabe der Blumen, die Reinigung (feuchte Handtücher!) und die Speisenzubereitung. Insgesamt werden in einer Wohnung täglich zwischen 2 und 9 kg Wasserdampf in die Luft abgegeben (vgl. Abbildung 5.1.-1). Wird dieser Wasserdampf nicht durch eine hinreichende Lüftung ins Freie geführt, kommt es selbst bei bester Bauausführung zu Kondensations- und Schimmelerscheinungen an Außenbauteilen.

Das Technische Regelwerk berücksichtigt die geänderten Bedingungen nur zeitverzögert. Erst im Dezember 2006 ist hierzu erstmals eine Technische Regel, DIN 1946/6 [22], im Entwurf veröffentlicht. Diese Norm ist unter intensiver Mitarbeit führender Wissenschaftler und Praktiker ausgearbeitet worden und spiegelt den derzeitigen Wissensstand, der auf umfangreichen Vorarbeiten beruht (u.a. [23], [24]).
Die Technische Regel gilt ausdrücklich für alle Wohnungen, also unabhängig davon, ob eine Lüftungsanlage installiert ist oder nicht und ist anzuwenden für neue oder zu sanierende Gebäude. Vollkommen neu ist, dass nun ein Mindestluftvolumenstrom zur Sicherung des Feuchteschutzes fest vorgegeben wird (s. Tabelle 5.1-1).
Dieser Volumenstrom ist mindestens erforderlich, um den Wasserdampf aus den Wohnungen sicher abzuführen. Dieser Volumenstrom ist unabhängig von der Unterstützung des Wohnungsnutzers (Fensteröffnen!) zu gewährleisten. 

Tabelle 5.1-1: Lüftungsarten nach DIN 1946/6 [22]

Lüftung

Beschreibung

Realisierung

Lüftung zum Feuchteschutz

Lüftung, die in Abhängigkeit vom Wärme­schutzniveau des Gebäudes unter üblichen Nutzungsbedingungen (Feuchtelasten, Be­heizung) die Vermeidung von Schimmel­pilz- und Feuchteschäden im Gebäude zum Ziel hat

nutzerunabhängig, d.h. muss auch ohne Fensteröffnen stets gewährleistet sein

Mindestlüftung

Lüftung, die unter üblichen Nutzungs­bedingungen Mindestanforderungen an die Raumluftqualität (Geruchsintensität) erfüllt

weitgehend nutzerunabhängig

Grundlüftung

Notwendige Lüftung zur Gewährleistung des bauphysikalischen Bautenschutzes sowie der hygienischen und gesund­heitlichen Erfordernisse bei planmäßiger Nutzung einer Wohnung (Normalbetrieb)

Nutzerunterstützung durch Fensteröffnen möglich

Intensivlüftung

Zeitweilig notwendige erhöhte Lüftung zum Abbau von Lastspitzen (z. Bsp. beim Kochen, oder bei vielen Besuchern = Party)

Nutzerunterstützung durch Fensteröffnen möglich und zweckmäßig

Tabelle 5.1-2 zeigt die erforderlichen Luftvolumenströme für die gesamte Wohnung. Bauphysikalisch interessant sind die Luftvolumenströme zur Gewährleistung des Feuchteschutzes. Dieser Luftvolumenstrom ist abhängig von der Güte der Wärmedämmung der Gebäudehülle. Bei ungedämmten und schlecht gedämmten Bauwerken (vor 1995 errichtet) ist ein höherer Luftvolumenstrom notwendig als bei gut gedämmten.

Umgebindehäuser sind in aller Regel bei den schlecht gedämmten Konstruktionen einzuordnen. Damit sind bei typischen Wohnungs­größen Luftvolumenströme zwischen 30 m³/h und 60 m³/h erforderlich, um den Wasserdampf schadensfrei aus dem Bauwerk abzuführen. Alle Erfahrungen zeigen, dass ein entsprechender Luftwechsel gerade auch bei Umgebindehäusern unbedingt einzuhalten ist.

Tabelle 5.1-2: Erforderliche Luftvolumenströme (gerundet auf 5 m³/h) entsprechend DIN 1946/6, Tabelle 6 [22]

Lüftungsart

Beschreibung

ANE *1)

50 m²

75 m²

100 m²

125 m²

Grundlüftung

-0,001*A2NE+1,15*ANE+20

m³/h

75

100

125

150

Mindestlüftung

70 % der Grundlüftung

m³/h

55

70

90

105

Lüftung zum Feuchteschutz, Wärmeschutzniveau gering *2)

40 % der Grundlüftung

m³/h

30

40

50

60

Lüftung zum Feuchteschutz; Wärmeschutzniveau hoch *3)

30 % der Grundlüftung

m³/h

25

30

40

45

*1) ANE Grundfläche Nutzungseinheit (Wohnung) in m²; vgl. DIN EN 12831, bei Flächen<30 m² sind 30 m² einzusetzen!

*2) unsaniert oder teilsaniert (nur Fensterwechsel), vor 1995 errichtet

*3) nach 1995 errichtet (entsprechend Wärmeschutzverordnung 1995 bzw. ENEV errichtet)

Realisierung des Mindestluftwechsels

Bei n50-Werten in der Größenordnung von mehr als 10 bis 14 h-1 ist bei Umgebindehäusern zu erwarten, dass Wind und thermischer Auftrieb einen für den Feuchteschutz hinreichenden Luftwechsel durch die Fugen und Ritzen des Bauwerkes verursachen (vgl. hierzu Bild 4.3-1). Es ist jedoch zu betonen, dass aus energetischen Gründen eine höhere Dichtheit des Bauwerkes unbedingt anzustreben ist. In diesem Falle sind zusätzliche Lüftungsmaßnahmen erforderlich. Eine gute Übersicht enthält u.a. [27]. 

Typische Lüftungsmaßnahmen sind:

  • Einbau von Außenluftdurchlasselementen
    Außenluftdurchlasselemente stellen eine gewollte Undichtheit dar (Abbildung 5.2-1). Moderne Außenluftdurchlasselemente verfügen über eine Windsicherung, so dass anders als bei „gewöhnlichen“ Ritzen und Fugen der Luftdurchgang bei Windanfall gemindert wird.
  • Installation eines Abluftschachtes, ggf. mit Ventilator
    Um die Geruchsverschleppung in den Wohnungen zu minimieren, ist die Luftströmung immer von den Wohnräumen zu den Nassräumen zu organisieren. Das bedeutet, dass die Abluft immer aus Bad oder/und Küche entnommen wird. Durch die Unterdruckbildung im Abluftraum strömt dann die Luft automatisch aus den übrigen Räumen zum Abluftraum. Wird nur eine Entlüftung vorgesehen, dann wird dafür im Allgemeinen das Bad bevorzugt.

    Abluftschächte sind in den Bauordnungen schon vor mehr als 100 Jahren als „Wrasenabzüge“ beschrieben worden. Sie dienten der Entlüftung von „Nassräumen“. Auch Schulen und andere öffentliche Gebäude wurden zur damaligen Zeit mit derartigen Schächten ausgerüstet. Offenbar war man sich der Lüftungsproblematik gut bewusst. Abluftschächte wurden im Wesentlichen wie gemauerte Schornsteine ausgeführt. Forschungsarbeiten beschäftigten sich in der jüngsten Zeit mit der Frage, ob alte, nicht mehr benötigte Schornsteinzüge als Entlüftungsschächte benutzt werden können.
    Wesentlich für die Funktionsfähigkeit dieser Schächte ist eine Temperaturdifferenz zwischen innen (20 °C) und außen. Die Ergebnisse zeigen, dass derartige Schächte im Winter gut funktionieren. Allerdings versagen diese Schächte in der Übergangszeit zunehmend. Im Sommer sind sie vollkommen funktionslos. Außerdem ist eine gute Einregulierung der Volumenströme, möglichst mit temperaturabhängiger Steuerung, zweckmäßig, um die temperaturabhängigen Förderunterschiede zu begrenzen.

    Bei marktüblichen Lösungen wird derzeit die Luftförderung durch einen Ventilator unterstützt. Dieser Ventilator kann entweder unmittelbar an der Absaugstelle angeordnet sein oder in der Nähe der Ausmündung auf dem Dach installiert werden. Die erste Lösung ist die einfachere, allerdings ist bei der Auswahl des Abluftventilators dann auf den möglichst geräuscharmen Betrieb besonders zu achten. Durch die relativ kleinen erforderlichen Luftvolumenströme sind derartige Geräte jedoch gut erhältlich.
    Zu beachten ist, dass für die Sicherstellung des bauphysikalisch erforderlichen Luftwechsels ein ständiger Betrieb des Ventilators mit dem jeweils gewählten Mindestluftvolumenstrom anzustreben ist. Da bei Umgebindehäusern auch nach einer Abdichtung zu erwarten ist, dass Luft über nicht gedichtete Ritzen und Fugen ein- und ausströmen kann, ist nur ein Teil des Mindestluftwechsels über den Abluftschacht zu realisieren.

    Eine genaue Berechnung kann der Lüftungsingenieur anhand DIN 1946/6 [22] vornehmen. Als Faustwert sind 20 bis 30 m³/h als konstanter Abluftvolumenstrom oftmals zutreffend. Eine Filterung der Abluft muss nicht erfolgen (Ausnahme: Fettfilter bei der Küchenabzugshaube oberhalb des Kochherdes ist unverzichtbar).
    Die Zuluftzuführung ist bei besonders dichten Gebäuden (n50 < 3 h-1) durch Außenluftdurchlasselemente zu unterstützen. Hier sollten die bauphysikalisch besonders kritischen Räume wie Schlaf- und Kinderzimmer bevorzugt bedacht werden.
     
  • Variante: Abluftschacht + Zuluftkastenfenster
    Die Hochschule Zittau/Görlitz hat im Rahmen des Projektes „Energetische Sanierung des Altbaubestandes“ (ENSAN) des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) die Sanierung des Gründerzeithauses in der Bautzner Str. 11 in Zittau intensiv betreut und die Sanierungsergebnisse durch ein Messprogramm detailliert ausgewertet („Erfolgskontrolle“).

    In der Bautzner Str. 11 wird die Zuluft über den Scheibenzwischenraum eines Kastenfensters angesaugt. Damit wird die Gefahr der beschlagenen Außenscheibe vollkommen gebannt, außerdem erwärmt sich die Luft im Scheibenzwischenraum etwas und trägt den Hauptteil der durch das Fenster nach außen strömenden Wärme wieder in das Gebäude.

    Die Luftströmung wird angetrieben durch einen Abluftschacht im Badezimmer. Ein zentraler Ventilator in Nähe des Daches erzeugt einen Unterdruck, der sich über den Schacht in die Wohnungen fortsetzt, so dass die Strömung entlang des Druckgefälles wie gewünscht stattfindet. Als Luftvolumenstrom sind je Wohnung durchgehend ca. 50 m³/h realisiert. Die Wohnungen werden von 2 – 4 Personen bewohnt.
    Die Messergebnisse zeigen sowohl einwandfreie lufthygienische Verhältnisse (Kohlendioxidmaßstab) als auch bauphysikalisch vollkommen unbedenkliche Luftfeuchtewerte.

    Die Heizwärmeverbräuche sind mit ca. 60 bis 70 kWh/m²a für Altbauverhältnisse hervorragend. Damit ist offensichtlich, dass sich eine bauphysikalisch vernünftige Lüftung und geringe Heizenergieverbräuche nicht ausschließen. Obwohl bei der Altbausanierung – u.a. aufgrund des Denkmalschutzes – immer Kompromisse bei der Dämmung notwendig sind, so dass Neubaustandard - besonders in den bauphysikalisch heiklen Details - in der Regel nicht erreichbar ist, sind die Wohnungen dank der guten Lüftung vollkommen schimmelfrei.
  • Installation von Nur-Zuluftgeräten
    Von der Industrie werden Ventilatoren angeboten, die mit einem Zuluftelement gekoppelt sind und die in die Außenwand eingebaut werden können. Derartige ventilatorgestützte Zuluftelemente sorgen dann im betreffenden Raum für einen hinreichenden Außenluftvolumenstrom, allerdings nur dann, wenn auch die Abströmsituation hinreichend geklärt ist.

    Unbedingt zu verhindern ist, dass die Luft über unbeheizte Nebenräume mit kalten Außenwänden abströmt, da die feuchte Wohnungsluft sehr wahrscheinlich zu einer extremen Verschimmelung der Außenwände beitragen wird. Derartige bauphysikalische Probleme sind bei Nur-Abluftanlagen (Abluftschächte) kaum zu erwarten, so dass diese Lösung im Allgemeinen zu bevorzugen ist.
     
  • Zu- und Abluftanlagen
    Hierbei wird die Abluft wie bei den Abluftanlagen aus dem Bad ins Freie transportiert. Zusätzlich wird die Zuluft über gesonderte Kanäle in die Räume geführt. Bei derartigen Anlagen ergibt sich eine gute und einfache Möglichkeit der Wärmerückgewinnung: Abluft und Zuluft werden über einen Wärmeübertrager geführt, so dass die kalte Außenluft durch die Abluft erwärmt wird.

    Derartige Anlagen sind etwas aufwändiger. Sie werden vor allem aus Komfort- und Energieeinspargründen installiert und kommen u.a. in modernen Passivhäusern zum Einsatz. Sollten hinreichende Finanzmittel verfügbar sein, dann sind derartige energiesparende Zu- und Abluftanlagen sicherlich auch bei der Sanierung von Umgebindehäusern eine diskussionswürdige Variante.